Vorfälligkeitsentschädigung – kenne goldene Spielregeln

Hast Du vor vorzeitig aus Deinem derzeitigen Kreditvertrag auszusteigen?  

Ich zeige Dir hier was Du unbedingt dabei beachten sollst.

Wo kannst Du die Finger verbrennen?

Wann kassiert die Bank doppelt ab?

Wie wird die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet?

Was ist steuerlich zu beachten und was kannst Du steuerlich absetzen?

Bist Du bereit?

Dann los geht’s!

Es kommt doch immer wieder vor, dass manchmal ein Kreditnehmer sein Kredit vorzeitig, d. h. während der laufenden Zinsbindung, kündigen möchte oder sogar muss. Die Gründe hierfür können sehr unterschiedlich sein.

Doch aufgepasst: Diese Entscheidung muss gut überlegt und vorbereitet sein. Kündige auf keinen Fall von Dir aus einen Kredit, ohne eine schriftliche Zusage für ein neues Darlehen in der Tasche zu haben.  Es kann verheerende finanzielle Folgen haben, wenn Du noch keine verbindliche Lösung für Dein Kreditproblem gefunden hast. Es sei denn, Du hast im Lotto gewonnen oder Deine Oma hat Dir einen dicken Batzen Geld vermacht.

Der Gesetzgeber räumt zwar jedem Kreditnehmer das Recht ein, aus dem Kreditvertrag vorzeitig auszusteigen. Du musst dafür aber  ein wenig Fleißarbeit leisten und gute Gründe im Ärmel haben.

Man unterscheidet zwei Kündigungsarten: ordentliche und außerordentliche Kündigung.

Ordentliche Kündigung

Das ordentliche Kündigungsrecht wird nach § 489 BGB eingeräumt.

  • Nach Ablauf der Zinsbindungsfrist (Kündigungsfrist ein Monat)
  • Nach Ablauf von 10 Jahren nach dem vollständigen Empfang der Kreditsumme (Kündigungsfrist sechs Monate)
  • beim variablen Zins (Kündigungsfrist drei Monate)

Nach der ordentlichen Kündigung muss der Kreditnehmer innerhalb von zwei Wochen den geschuldeten Betrag zurückzahlen.

Außerordentliche Kündigung

Das außerordentliche Kündigungsrecht wird nach § 490 BGB eingeräumt.

Eine außerordentliche Kündigung des Darlehensvertrags kann von zwei Seiten erfolgen: sowohl von der Darlehensnehmerseite als auch von der Darlehensgeberseite.

Wann kann ein Darlehensgeber außerordentlich kündigen?

  • bei wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse
  • bei wesentlicher Verschlechterung der Werthaltigkeit der gestellten Sicherheiten
  • bei drohender  Verschlechterung der Werthaltigkeit der gestellten Sicherheiten
  • bei Gefährdung der Rückzahlung des Darlehens
  • Verwertung der Sicherheiten

In diesen Fällen kann die Bank den Darlehensvertrag fristlos kündigen.

Wann kann ein Darlehensnehmer außerordentlich kündigen?

  • Bei einem Kreditvertrag mit gebundenem Sollzinssatz
  • bei einem Darlehen, das durch ein Grundpfandrecht gesichert ist
  • bei berechtigtem Interesse

Wann liegt ein “ berechtigtes Interesse“ vor?

Wie es im Amtsdeutsch heißt „Ein solches Interesse liegt insbesondere vor, wenn der Darlehensnehmer ein Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung der zur Sicherung des Darlehens beliehenen Sache hat.“  Mit dem „Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung“  ist nicht nur ein Verkauf aus privaten Gründen gemeint, sondern auch   

  • Ehescheidung
  • Krankheit
  • Umzug
  • Überschuldung und
  • Arbeitslosigkeit

Wenn eine Kündigung allerdings aus anderen Gründen geschieht, wie z. B. bei Umschuldung wegen eines günstigeren Zinssatzes, dann kann die Bank zustimmen, muss sie aber nicht. Dieser Grund berechtigt nicht zur vorzeitigen Vertragsbeendigung.

Aber Achtung: Wer vor Ablauf der Zinsbindungsfrist aus dem Kreditvertrag aussteigen will, der muss mit einer Vertragsstrafe rechnen.

Die „Strafzahlung“ – die Vorfälligkeitsentschädigung

Die Banken lassen sich ihre Verluste mit einer sogenannten Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen. Diese gilt grundsätzlich dem Interessenausgleich zwischen der Bank und dem Kreditnehmer.

Diese Schäden entstehen den Banken aus der vorzeitigen Kündigung:

  • Zinsmargenschaden (entspricht dem entgangenen Nettogewinn)

Die Marge des Ursprungsgeschäfts kann sich deutlich von der Marge des Ersatzgeschäfts unterscheiden. Diesen Schaden will sich die Bank bezahlen lassen.

  • Zinsverschlechterungsschaden (auch Zinsausfallschaden)

Die Bank kann das Geld nicht mehr zu den im Darlehensvertrag vereinbarten Bedingungen auf dem Markt ausleihen. Sie muss jetzt das vorzeitig zurückerhaltene Geld eventuell zu ungünstigeren Bedingungen wieder anlegen, da zum Beispiel die Zinsen auf dem Markt gesunken sind.

  • Kostenerstattung für den Verwaltungsaufwand

Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung wird auf das Zeitfenster der Zinsfestschreibung hochkalkuliert. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist, dass die Bank die Höhe des Schadens so bemessen muss, dass sie durch vorzeitige Kreditrückzahlung finanziell weder benachteiligt noch begünstigt wird.

Damit nicht immer wieder über die Vorfälligkeitsentschädigungen vor Gericht gestritten wird, hat der BGH eine komplizierte Formel gefunden und veröffentlicht. Natürlich ist diese Berechnungsmethode für die Laien kaum durchschaubar.

Dass die Formel kompliziert ist, haben die Banken auch schon erkannt.  So kommt es immer wieder mal vor, dass die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigungen durch Banken fehlerhaft und überhöht  ist. Wenn Du Dir nicht sicher bist, ob alles rechtens ist, dann zieh am besten einen Fachmann zu Rate, um die Rechtsmäßigkeit und die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung zu überprüfen.

Wichtig ist dabei, dass die Bank Dir diese Berechnung auch schriftlich zur Verfügung stellt. So kannst Du diese zum Beispiel bei der Verbraucherzentrale gegen ein relativ geringes Entgelt überprüfen lassen. Die Verjährungsfrist beträgt 30 Jahre, in dieser Zeit kannst Du Deine Rückzahlungsforderungen geltend machen.

So teuer kann es werden

Hier siehst Du auf einen Blick, welche Daten die Bank für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung heranzieht:

  • Restschuld des abzulösenden Kredits zum geplanten Ablösetermin
  • Restschuld zum planmäßigen Ende der Zinsbindungsfrist
  • Wiederanlagezinssatz (z. B. aktuelle Kapitalmarktrendite)
  • Risikoabschlag
  • Verwaltungskosten der Bank
  • Margenerstattung für die Bank
  • Bearbeitungsgebühren der Bank

Scheue nicht die Mühe und berechne Deine ungefähre Vorfälligkeitsentschädigung in einer abgespeckten Version selbst.  Hier kannst Du die Vorteile des digitalen Zeitalters nutzen! Denn im Internet findest Du zahlreiche Programme, mit denen Du die ungefähre Einschätzung selbst vornehmen kannst.

Beispiel

Lass Dir mit einem Beispiel auf die Sprünge helfen:

Angenommen, Du hast einen Kredit zu vier Prozent effektiven Jahreszins aufgenommen und zum 01.09.2015 vollständig ausgezahlt bekommen. Laut Vertrag hast Du eine 10-jährige Sollzinsbindung vereinbart. Jetzt möchtest Du Deinen Kredit sechs Jahre vor Ablauf der Zinsbindung aus welchem Grund auch immer zum 01.09.2019 ablösen.  Zum Ablösungszeitpunkt ergibt sich auf dem Kreditkonto eine Restschuld in Höhe von 100.000 €.

Quelle: Interhyp

Also Du siehst, auch eine relativ geringe Restschuld von 100.000 € kann zu einer recht üppigen Vorfälligkeitsentschädigung von 21.403,90 € führen.

Du kannst diese Berechnung auf der Internetseite von Interhyp auch selbst durchführen lassen.

Hier wird doppelt abkassiert

Besonders teuer wird es für denjenigen, der seinen Kredit kündigt, nur um an günstigere Zinsen heranzukommen. Wie ich schon vorher erwähnt habe, musst Du für den Ausstieg gute Gründe angeben. Wenn Du allerdings mit einem triftigen Grund bei der Bank antanzt, kann die Bank Dich aus dem Vertrag entlassen, muss sie aber nicht. Und sollte die Bank den Ausstieg absegnen, dann rechne mit einer deutlich höheren Vorfälligkeitsentschädigung als in anderen Fällen. Denn laut einem Urteil des BGH vom 06.05.2003 (AZ: XI ZR 226/02) dürfen die Banken Zuschläge verlangen, die bis zum Doppelten des Üblichen gehen können.

So sieht`s aus!

Umschulden vor Ablauf der Zinsfestschreibung wegen günstigeren Zinsen lohnt sich in den meisten Fällen nicht, denn die hohe Vorfälligkeitsentschädigung macht den Zinsvorteil in der Regel zunichte. Also bevor Du aktiv wirst, spitze Deinen Bleistift und mach Dich schlau.  

Zusammenfassend lassen sich folgende Wirkungszusammenhänge bei einer Vorfälligkeitsentschädigung erkennen:

  • Je höher die Restschuld, desto höher die Vorfälligkeitsentschädigung
  • Je höher der Sollzinssatz, desto höher die Vorfälligkeitsentschädigung
  • Je länger die noch ausstehende Restlaufzeit, desto höher die Vorfälligkeitsentschädigung
  • Je höher die vereinbarte Tilgung, desto geringer die Vorfälligkeitsentschädigung
  • Je höher die Sondertilgungsrechte, desto geringer die Vorfälligkeitsentschädigung
  • Je länger der Zinssatz einer Alternativanlage, desto geringer die Vorfälligkeitsentschädigung

Sonderkündigungsrecht ohne Vorfälligkeitsentschädigung

Hast Du Dich damals für eine lange Zinsbindung von 15 oder 20 Jahren entschieden?

Kein Problem!

Der Gesetzgeber räumt jedem Kreditnehmer nach 10 Jahren ein kostenfreies Sonderkündigungsrecht ein. Also egal ob Deine Zinsbindung 15 oder 20 Jahre ist, nach 10,5 Jahren (6 Monate Kündigungsrecht) kommst Du ohne Strafzahlung aus dem Vertrag heraus und es fällt keine Vorfälligkeitsentschädigung an. Und es spielt auch keine Rolle, was im „Kleingedruckten“ steht. Dieses Recht kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden.

Auch für den Fall, dass die Zinsen auf dem Markt günstiger sind, nach 10 Jahren fällt keine Vorfälligkeitsentschädigung an. Beachte die Kündigungsfrist von sechs Monaten.

Was ist steuerlich zu beachten?

Vorfälligkeitsentschädigung

Wenn du Dein Eigentum vorzeitig veräußerst, dann kannst Du leider die Vorfälligkeitsentschädigung steuerlich nicht geltend lassen. Allerdings reden wir hier immer über eine Investment- Immobilie, also über eine vermietete Immobilie. Dann stellt die Vorfälligkeitsentschädigung ein Nutzenentgelt für das Darlehen dar und kann von der Steuer als Werbungskosten abgezogen werden (Einkunftsart Vermietung und Verpachtung).

Das kannst Du noch von der Steuer absetzen:
  • Alle Fahrten zu den diversen Besichtigungsterminen, bis Du Dich für ein Haus, ein Grundstück oder eine Wohnung entschieden hast.
  • Alle Pläne, die Du entworfen hast und die später aus welchem Grund auch immer nicht realisiert wurden.
  • Fahrten zu Architekten
  • Auch Restaurantbesuche, wenn Du unterwegs bist – Du hast ja keine Möglichkeit zu Hause zu essen, dadurch entstehen für Dich Kosten.

Dazu gibt es den Segen vom Bundesfinanzhof (BFH) (Urt. V. 10.03.1981 – BStBl 1981 II S.470)

Finanzierungskosten sind Werbungskosten

Diese Kosten kannst Du auch voll von der Steuer absetzen:

  • laufende Zinsen
  • Disagio
  • Damnum
  • Maklerkosten zur Finanzierungsvermittlung
  • Kosten der Finanzierungsberatung
  • Gebühren für die Eintragung von Hypotheken im Grundbuch
  • Notarkosten für die Bestellung der Grundschuld
  • Fahrtkosten zur Bank, zum Notar oder Finanzierungsmakler mit 0,30 € je gefahrenen Kilometer

Neben der Verpflichtung zu zahlen, hast Du auch das Recht und sogar die Pflicht, die Steuervergünstigungen in Anspruch zu nehmen.

Lass Dich diesbezüglich von Deinem Steuerberater beraten.

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Alles beginnt mit einem Schritt!

Liebe Grüße

Maria Singer


In diesem Beitrag enthaltene Links:

Das ordentliche Kündigungsrecht § 489 BGB

Das außerordentliche Kündigungsrecht § 490 BGB

Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung auf der Internetseite von Interhyp

Die Bank darf doppel abkassieren – Urteil des BGH vom 06.05.2003 (AZ: XI ZR 226/02)

Das darfst Du von den Steuer absetzen – Segen vom Bundesfinanzhof (BFH) (Urt. V. 10.03.1981 – BStBl 1981 II S.470)

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  1. Björn 15. April 2020

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